WeissNix hat geschrieben: ↑6. Mai 2020 14:36
Nullnullsix hat geschrieben: ↑6. Mai 2020 03:55
WeissNix hat geschrieben: ↑6. Mai 2020 00:52 (...)
Falls nicht, kannst Du Dich hinsichtlich Menschenverachtung mit Boris Palmer auf eine Stufe stellen! (...)
Palmer hat doch Recht! Es gibt eben kein schwarz
oder weiß, sondern viele Aspekte.
Nein, Herr Palmer ist ein menschenverachtender Demagoge. Das hat er bereits früher gezeigt. Und jetzt hat er es auf die Spitze getrieben, indem er Leben differenziert in schützenswert und schützensunwert. Das kennen wir ja schon von früher, Stichwort Euthanasie! Und wenn Du Boris Palmer zustimmst und Alten und Kranken das Recht auf Leben, und sei die Spanne noch so begrenzt, absprichst, dann bist Du keinen Deut besser! Was sagen denn Deine Eltern und Großeltern, falls die noch leben sollten, zu Deiner Einstellung?
Eltern und Großeltern sind bereits verstorben. ICH bin an der Reihe, der nächste zu sein...
Zu Palmer: Ich hab ihn nicht so verstanden, dass er Leben in schützenswert und nichtschützenswert unterteilt, sondern nur so, dass er geschütztem Leben auf der einen Seite nichtgeschütztes Leben auf der anderen gegenüber stellt. Was soweit richtig ist.
Solche Gegenüberstellungen gibt es allenthalben: Wir kaufen billig bei Kik, unterstützen damit menschenunWÜRDigE Arbeitsbedingungen. Einerseits. Andrerseits: Tun wir das nicht, entziehen wir den Arbeitern in Billig-Lohnländern vielleicht die komplette Lebensgrundlage. Man muss also abwägen zwischen einem Leben unter unWÜRDigEn Bedingungen oder gar keinem Leben. Ähnlich: Smartphones gegenüber den Zuständen bei der Gewinnung von Koltan. Die Beispiele sind endlos. Bisher haben 'wir' 'immer' den Weg gewählt, der unserem Vorteil nach billig, wirtschaftlich, freiheitlich Bewegen und Kommunizieren usw. entspricht und sind dabei relativ skrupellos 'über Leichen gegangen'. Bei Corona ist das nun anders. Das finde ich spannend und interessant. Mehr nicht. Ich sage nicht, der frühere Weg war richtig, der jetzige ist falsch. Ich sage auch nicht das Gegenteil davon. Ich wunder mich nur, dass sich die Wertmassstäbe gedreht haben und finde es spannend, wie sich das weiter entwickelt.
Was ich und Palmer und Schäuble und andere aber sagen, ist: Es gibt keinen Königsweg. Und bei 'Gewinnern' auf der einen Seite gibt es immer auch 'Verlierer' auf der anderen. Und deshalb muss man abwägen, um möglichst geringe 'Schäden' auf BEIDEN Seiten zu verursachen.
Zurück zu Corona: Die Diskussion, so scheint mir, geht immer dann in die falsche Richtung, wenn Befürworter der restriktiven Massnahmen suggerieren, dass keine Ansteckung, sichere Gesundheit für alle bedeuten würde. Dem ist aber nicht so. Und es ist nicht jeder ein Menschenverachter, der darauf hinweist, DASS das so nicht ist.
Korrigiert mich, wenn ich was Falsches sage, aber soweit ich es verstanden habe, ist die Sache so:
Erstens: Die Pandemie ist besiegt, wenn
a.) ein Impfstoff gefunden ist (Gruß an alle Impfgegner
) ODER
b.) 70% der Bevölkerung 'durchseucht' sind.
Es geht also mit den ganzen Restriktionen gar nicht darum, Infektionen zu vermeiden, sondern die Zahl der Infektionen in der Zeitebene zu kontrollieren. Heißt: Früher oder später müssen sich so oder so 70% der Leute angesteckt haben. Und von diesen werden einige sterben. Daran werden sämtliche Massnahmen nichts ändern (ich persönlich gehe von Beginn an von ca. 55.000 Corona-Toten für Deutschland aus. Davon sind wir noch weit entfernt und alle Massnahmen werden diese Zahl nur unmassgeblich beeinflussen können).
Worum also geht es, zweitens? Es geht darum, diese 'Durchseuchung' so zu steuern, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet wird, damit:
a.) Die dort Tätigen nicht über ihre Kräfte belastet werden und keine Abwägungen treffen müssen, welche Patienten optimal versorgt werden können und für wen es eben nicht reicht. Und
b.) Jeder Erkrankte die optimale Versorgung erhält.
Letzter Stand, den ich weiß, ist: Es stehen 150.000 Behandlungsplätze, die für Corona-Fälle geschaffen wurden ungenutzt leer - weil unsere Schutzmassnahmen so gut greifen, dass sich zur Zeit gar nicht 'genug' Leute anstecken. Unter dem Aspekt ist es nur logisch, die Massnahmen zu lockern, damit sich mehr Leute anstecken, damit man schneller bei 70% Durchseuchung landet. Unter dem Aspekt der Impfstoffentwicklung wäre es natürlich weiterhin sinnvoll, die Kurve 'zu flach' zu halten, damit möglichst viele, bei denen es einen tödlichen Verlauf nehmen würde, solange nicht infiziert werden, bis es einen Impfstoff gibt.
Milchmädchen rechnet noch mal kurz: 150.000 leer stehende Intensiv-Betten. Für 20% schwere Verläufe. Heißt: Gut wäre ein Stand von konstant 750.000 Erkrankten - für jeden Genesenen darf sich einer neu anstecken. Davon sind wir weit entfernt und selbst wenn wir auf den Stand kämen und ihn halten könnten, würde es über 5 Jahre dauern, bis 70% Durchseuchung erreicht wären. Wohl gemerkt: 5 Jahre MIT restriktiven Massnahmen, die auf der anderen Seite wirtschaftlich, gessellschaftlich, kulturell und psychologisch über einen so langen Zeitraum imensen Schaden anrichten würden. Und: Es würden -meiner Schätzung zufolge- trotzdem 55.000 Menschen (pro Jahr!) daran sterben.
Und Impfstoff? Mein letzter Stand: Nicht vor 2021.
Kurz: Die Frage ist nicht so einfach runter zu brechen auf: "Beibehaltung oder Verschärfung restriktiver Massnahmen = keine Corona-Toten" vs. "Lockerung der Massnahmen = sicheres Todesurteil für alle, die zur Risiko-Gruppe gehören". Und, lieber Weissnix, das ist es, was mich an Deiner Haltung - die Du natürlich nicht exklusiv hast - stört: Sie vermittelt den Eindruck, als wäre es zwei so einfache Gleichungen, die sich gegenüber stehen würden, und deshalb wären Befürworter der Lockerungen 'Menschenverachter', die 'sichere Todesurteile' unterschreiben würden.
Meiner Sicht nach ist es aber nicht in diesem Sinne 'so einfach', sondern in einem anderen Sinne 'einfach': Jeder wird mal sterben. Gewöhnen wir uns an diesen einfachen Fakt und beginnen wir, eine Denke und Haltung zu entwickeln, die in diesem einfachen und unabänderlichen Fakt die Chance sieht und nicht etwas 'ganz Schlimmes'. Zweitens: Egal, wie gut Kontaktverbotsmassnahmen funktionieren: Auch an Corona werden Menschen sterben. Das ist bisher trotz besten medizinischen Bedingungen bereits ein paar Hundert Mal passiert und es wird weiter passieren. Lernen wir, damit zu leben, dass Menschen sterben müssen. Auch an Corona. Egal, was wir machen. Ob, was und wieviel wir machen, kann die Zahl verändern aber nicht das Prinzip. Ändert also nur eine Quantität, keine Qualität. Und es ist fraglich, in welchem Ausmass wir die Quantität beeinflussen können. Solange es am Ende höchstens 55.000 pro Jahr sind, haben wir, denk ich, alles richtig gemacht. Klar: 55.000 Einzelschicksale, jedes für sich tragisch. Aber man wird lernen müssen, damit zu leben. Wie, und das wurde hier schon mehrfach gesagt, mit allen anderen Lebensrisiken auch.
So ist das nun mal: Man schwebt in Lebensgefahr, solange man lebt. Und diese Gefahr ist erst dann vorbei, wenn man nicht mehr lebt. Und, wie ich schon seit Jahrzehnten sage: "Wenn der liebe Gott mich bei sich haben will, dann findet er einen Weg, mich zu sich zu holen." Und wer in vielleicht 3 Monaten im Straßenverkehr tödlich verunglückt, dem nutzt es auch nichts, dass er heute bei bestmöglicher medizinischer Versorgung einen schweren Verlauf der COVID19-Erkrankung überstanden hat. Das ist dann auch ein 'tragisches Einzelschiksal'...